Autismus-Spektrum
wird oft in frühkindlichen, atypischen und Asperger – Autismus unterteilt. Aus medizinischer Sicht liege allen Formen eine Entwicklungsstörung zugrunde, deren Ursache bislang ungeklärt ist. Weiter heißt es, Autisten würden in ihrer eigenen Welt leben und könnten sich nicht in andere hineinversetzen. Dass viele Vorstellungen und Annahmen über Autisten nicht zutreffen, zeigt auch Henry Markram, in seinem Buch „Ein Junge, der zu viel fühlt – Wie ein weltbekannter Hirnforscher und sein Sohn unser Bild von Autisten für immer verändern“.
Autisten nehmen viel mehr wahr als bisher angenommen
Heute weiß man, dass Autisten nicht zu wenig fühlen, sondern im Gegenteil viel mehr wahrnehmen als bisher angenommen. Da ihr neurologisches System dauerhaft mit Informationen überschüttet wird, machen viele einfach dicht, wenn die Reizüberflutung überhandnimmt. Denn diese „Dauerbeschallung“ empfinden viele Autisten als körperlich schmerzhaft. Henry Makram bezeichnet das Gehirn von Autisten auch deshalb als „atypisch“ und nicht wie andere als „gestört“.
Du bist anders und das ist gut so
Wir begrüßen es sehr, wenn immer mehr Menschen Abstand von einer stigmatisierenden Betrachtungsweise nehmen. Kein Mensch möchte sich mit einer „Störung“ betiteln lassen – auch Autisten nicht, wie sie immer wieder sagen.
Jeder Autist ist in seiner Art einzigartig – genauso wie jeder andere Mensch auch. Der eine lebt z.B. eher zurückgezogen und ist wortkarg. Der anderer ist hingegen offener und kommunikativer.
Savants – Menschen mit außergewöhnlichen Talenten
Wie so oft trügt der äußere Schein und man würde auf den ersten Blick nicht vermuten, welch wacher Geist und welche Begabungen in Autisten stecken. Manche – auch als Savants bekannt – beeindrucken mit ihren unglaublichen Inselbegabungen. Sie beherrschen z.B. mühelos mehrere Fremdsprachen, haben ein außergewöhnliches Gedächtnis oder ein besonderes zeichnerisches oder musikalisches Talent. Bekannte Savants sind z.B. Stephen Wiltshire – die lebende Kamera, Kim Peek – der echte Rain Man und Temple Grandin – die Anthropologin auf dem Mars¹.
Rituale erleichtern den Alltag
Was viele Autisten jedoch gemeinsam haben ist, dass sie Rituale, Routinen und stabile Strukturen mögen, die ihnen den Alltag erleichtern.
Dies haben wir im Laufe unseres Berufs- und Privatlebens immer wieder bestätigt bekommen, indem wir einige Autisten kennen- und schätzen lernen durften. Was sie alle noch gemeinsam hatten, ganz gleich welche Ausprägung, war ein unfassbar großes Herz. Manchmal war dies ganz offensichtlich und manchmal eher subtil wahrnehmbar.
Wie gehe ich mit einem autistischen Kind um?
Weisen Kinder neurodiverse Eigenschaften wie z.B. Autismus auf, ist es wichtig sie so zu behandeln, wie sie von Natur aus gedacht sind. Dann kann sich dieses Kind ebenso gesund und gut entwickeln wie jedes andere Kind auch. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für Kinder mit neurodiversen Eigenschaften, welche wir in diesem Post erwähnt haben, sondern ausnahmslos für jedes Kind. Suboptimale äußere Umstände können sich sehr negativ auf seine Entwicklung auswirken. Dazu gehört z. B. auch, dass das soziale Umfeld unwissend ist und auf das Kind nicht entsprechend reagiert, es ausgrenzt oder „anders“ behandelt, indem es ihm vermittelt, es müsse weniger so sein wie es ist und mehr so sein wie alle anderen. Hilfreicher und effektiver ist es ihm gesunde Grenzen aufzuzeigen, es in seinen Fähigkeiten/Begabungen zu bestärken und auf seine Bedürfnisse einzugehen.
Die Forschung hat längst bewiesen, dass nicht nur Aussehen, Verhalten, Erkrankungen, Traumen und neurologische Eigenschaften über Generationen unbewusst weitergegeben werden können, sondern auch die Erfahrungen, die damit einhergehen. Man kann diese Entwicklungen also positiv beeinflussen bzw. verändern, indem man all diese Dinge ins Bewusstsein bringt.
Wenn ihr keine Zeit finden solltet das o.g. Buch zu lesen, empfehlen wir ein ebenso aufschlussreiches Interview² mit Henry Markram und dem Autor Lorenz Wagner. Es gibt neue Einblicke in das Thema und zeigt, wie die Dinge wirklich sind – und nicht wie manch einer sie vielleicht gerne hätte. Es lädt auch dazu ein sich selbst und anderen mitfühlender und verständnisvoller zu begegnen.
Quellen:
¹Scinexx. Das Wissensmagazin. Savant-Portraits https://www.scinexx.de/dossierartikel/savant-portraits/ (Stand: 29.12.2022)
²Lorenz, Wagner. Europa Verlag.https://www.europa-verlag.com/Buecher/6504/DerJungederzuvielfhlte.html /(Stand:18.12.2022)
Lorenz, Wagner. Ein Junge, der zu viel fühlte. Wie ein weltbekannter Hirnforscher und sein Sohn unser Bild von Autisten für immer verändern (2018)